Der totale Rausch by Norman Ohler

Der totale Rausch by Norman Ohler

Autor:Norman Ohler [Ohler, Norman]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-31517-2
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-09-09T16:00:00+00:00


Eva Braun löste Leni Riefenstahl bei der filmischen Inszenierung Hitlers ab.

(Rechtenachweis Nr. 26)

Nach außen hin wurde derweil das Bild einer heilen Führerwelt auch im Frühling 1944 noch verbreitet – trotz der katastrophalen militärischen Situation. Tatsächlich spielte der Berghof, dessen Wände mit den Werken alter Meister behängt waren, eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Propaganda und trug maßgeblich zur medialen Umsetzung des Führerkultes bei. Wenn der Herr mit Hut und Hund im Frühlingserwachen am Waldesrand steht und bedeutsam in die Ferne blickt, war die von Reichsbildberichterstatter Heinrich Hoffmann persönlich ausgebildete Eva stets dabei, hatte vorher die Schlipse ausgewählt, gab Regieanweisungen und ließ ihre Agfa Movex laufen. Noch heute zirkulieren die aus der Hand geschossenen Clips der jungen Geliebten, die sich hinter der Kamera versteckte, im Internet. Wer diese Bilder sieht, könnte glauben, Hitler sei das asketischste, gewissenhafteste, keuscheste Wesen der Welt. Da werden keine harten Drogen gespritzt, sondern Rehkitze oder wahlweise Kinder gestreichelt und Ostereier versteckt, während Selbstrechtfertiger Speer in hellgrauen Nadelstreifen über die Terrasse tigert. Auch den Leibarzt sieht man, wie er Torte mampft und gute Miene macht.

Doch wenn Eva Braun die Kamera ausschaltete, fielen sofort die Masken, und sie begann wieder, sich die Fingernägel in den Unterarm zu graben und die Lippen mit den Zähnen zu malträtieren, bis sie bluteten – während Hitlers Hand beim Apfelteetrinken so sehr zitterte, dass Tasse auf Untertasse klapperte, was alle peinlich berührte. Morell wiederum konnte kaum noch Treppen steigen, so abgewirtschaftet war er schon. Ausruhen durfte sich der Leibarzt freilich nicht, alle benötigten ihn dieser Tage. Den dicken Doktor aufzusuchen gehörte zum guten Ton. Sein Patientenstamm war in der Zwischenzeit auf die gesamte Hautevolee des Reiches und dessen Verbündete angeschwollen: Er kümmerte sich um Mussolini, der den Codenamen »Patient D« bekam; um Industrielle wie Alfried Krupp oder August Thyssen (Behandlungshonorar stolze 20 000 ReichsmarkHinweis), zahlreiche Gauleiter und Wehrmachtsgeneräle; Leni Riefenstahl, die morphinhaltige Zäpfchen erhielt; SS-Chef Himmler, den deutschen Außenminister von Ribbentrop (»Patient X«), Rüstungsminister Speer, den japanischen Botschafter General Hiroshi Oshima oder auch die Gattin von Reichsmarschall Göring, die sich im Zweitagerhythmus »Vitamultin forte« spritzen ließ – was auch immer sich dahinter verbarg.Hinweis

Mehr und mehr einflussreiche Nationalsozialisten pilgerten zu Morell – und wenn es nur war, um dadurch ihre Nähe zu Hitler zu bekunden, ihre Stellung zu festigen. Vor allem beanspruchte natürlich Letzterer die Zeit seines Leibarztes, und gegenüber der Gattin des Wirtschaftsministers Funk, einer weiteren Patientin, klagte der mittlerweile selbst malade Morell: »Ich muss zu jeder Stunde den Anordnungen folgen, die ich höheren Ortes bekomme. Zur Zeit fahre ich um 12 Uhr hinauf zum Führer, um etwaige Behandlungen vorzunehmen, und kehre fast immer um 14 Uhr ins Hotel zurück, um den ganzen Tag über zu Bett zu liegen, damit ich demnächst wieder fähig bin, den Führer begleiten zu können.« Mittlerweile hing auch der Leibarzt an der Nadel, und seine Praxisvertretung Dr. Weber musste von Berlin an den entfernten Berghof reisen, da er »von allen am besten injiziert und als einziger meine Venen mit Sicherheit trifft«.Hinweis Was Morell sich dabei gönnte, ist nicht überliefert.

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